Unsere Reise zu Dynamischer Agroforstwirtschaft - ein Konzept mit Zukunft

Der folgende Beitrag ist ein gekürzter Auszug aus meinem Buch Honor Thy Label: Dr. Bronner's Unconventional Journey to a Clean, Green, and Ethical Supply Chain.

Im Oktober 2016 kam Joachim Milz nach Asuom, wo unser ghanaisches Schwesterunternehmen Serendipalm, das uns mit nachhaltigem Palmöl beliefert, seinen Sitz hat. Es war wie immer eine warme und feuchte Nacht, und ich saß mit meinen Teamkollegen Rob und Phillip auf der Veranda unseres Gästehauses, das seit einigen Jahren unser abendlicher Treffpunkt ist. Der Verkehrslärm hatte sich gelegt, und die Gemeinde nebenan sang und trommelte. Die Nachbarn auf der anderen Straßenseite verbrannten gerade einen kleinen Haufen Laub und Plastiktüten, was einen schönen, wenn auch etwas störenden Schwelbrand erzeugte.

Dennoch waren wir an den Bildschirm von Joachims Laptop gefesselt. Er zeigte Fotos, die über einen Zeitraum von drei Jahren auf einer 150-Hektar-Farm in der benachbarten Elfenbeinküste aufgenommen worden waren, wo seine Beratungsfirma ECOTOP als technischer Berater tätig war. Die Anpflanzung, die auf einer verfallenen Ananasplantage angelegt worden war, bestand aus regelmäßigen parallelen Reihen von dicht und vielfältig gepflanzten Bäumen und Bodenfrüchten. Kakao, Ölpalme und Kautschuk waren die Hauptkulturen; Obst-, Cashew- und Holzbäume wurden in geringerer Dichte angepflanzt; schnell wachsende Bananen und Papayas dominierten in diesen ersten Jahren noch das Bild. Was wir sahen, war Joachims verblüffendes Konzept, das er "dynamische Agroforstwirtschaft" (DAF) nannte.

Die Fotos führten uns buchstäblich von der Zeit der Bodenvorbereitung - dem Anlegen der Reihen und dem Pflanzen - über die erste Maniokernte bis hin zu dem, was nun ein junger, üppiger Dschungel geworden war, der seinen Lebenszyklus begann. Joachims kaum drei Jahre alte Anpflanzung sah bereits üppig und gesund aus, wie ein natürliches Chaos. Er erklärte uns, dass sie der natürlichen Sukzession in tropischen Wäldern nachempfunden sei und im Vergleich zu konventionell bewirtschafteten großen und kleinen Monokulturen zahlreiche Vorteile biete. Er zeigte uns weitere Beispiele solcher Anpflanzungen, vor allem in tropischen Ländern, und dann bombardierten wir ihn mit Fragen zu seiner Methode. War dies vielleicht das landwirtschaftliche Modell, nach dem wir in Ghana gesucht hatten, um Ölpalme, Kakao und andere Kulturen zu integrieren und ein wirklich regeneratives Projekt zu werden?

Die Gestaltung eines DAF-Waldes
Wie gestaltet und plant man die Anlage einer neuen DAF-Fläche? Im Wesentlichen bestimmt man die wichtigsten Baumarten, die man einbeziehen möchte, und plant um sie herum - in Ghana sind es Ölpalmen und Kakao. Um die Anpflanzung und Pflege zu vereinfachen, werden die meisten modernen DAF-Felder in Reihen und Gittern gepflanzt. Im Gegensatz zu Monokulturen mit Gittern sind diese Reihen jedoch sehr vielfältig - mit System.
Es ist zu beachten, dass Bäume derselben Art in einem deutlich größeren Abstand zueinanderstehen als in einer Monokultur. Holz- und Obstbäume werden zwischen Palmen und Kakao gepflanzt. In Westafrika kann man zum Beispiel Avocados, Orangen, Cashews, Teak und Mahagoni anbauen. Außerdem sollten auch schneller wachsende Pflanzen mit kürzerem Zyklus einbezogen werden: Bananen und Papayas, Maniok und Mais, Bohnen und Erbsen. Sie ermöglichen die Generierung von Einkommen für Kleinbauern und -bäuerinnen schon bald nach der Pflanzung und bieten Synergien. So schützt beispielsweise der Schatten einer schnell wachsenden Banane einen benachbarten Kakaosetzling.

DAF zielt darauf ab, den Ertrag des gesamten Systems zu optimieren, und nicht nur den einer einzelnen Art. Bäume sind keine Maschinen, und jede Art hat ihren eigenen Wachstumszyklus, ihre eigene ökologische Nische und ihre eigenen Anforderungen. Effektive DAF-Konzepte müssen den Pflanzen das Licht, die Nährstoffe und den Schutz bieten, den sie brauchen, aber auch die Prinzipien der natürlichen Sukzession berücksichtigen. In der freien Natur sind die meisten Getreide- und Gemüsearten Pionierpflanzen. Sie besetzen zunächst Stellen, an denen es keine Bäume gibt, verschwinden aber schließlich. Tropische Sekundärpflanzen wie Bananen und Papayas wachsen höher und sind einige Jahre lang ertragreich, dann werden sie überwuchert und durch noch höhere und langlebigere Bäume ersetzt. Wenn Kleinbauern und -bäuerinnen diese tropischen Früchte weiter anbauen möchten, setzen sie sie auf neu angelegte Flächen oder an den Rand eines bestehenden Feldes. Je nach ihrem natürlichen Platz in einer Sukzession kann jeder Baum eine Schicht in einer DAF-Parzelle von einigen Jahren bis zu über hundert Jahren besetzen. Kakao ist bekannt dafür, dass er Schatten gut verträgt und viele Schoten produziert, solange alles andere stimmt. Sein Kronendach befindet sich in einer niedrigeren Schicht und kann daher mit Ölpalmen koexistieren, die volle Sonne benötigen und deren Kronen die oberste Schicht einnehmen, wie Kokosnüsse, Mahagoni und Eukalyptus.



Eine DAF-Pflanzung simuliert einen natürlichen Wald. Durch die Auswahl der Pflanzen und die Pflege des Betriebs wird der Wald gestaltet und gelenkt, während die Bäume unter günstigen Bedingungen "ihr Ding machen können". Drohnenaufnahmen von DAF-Feldern zeigen eine grüne, vielfältige und strukturierte Schönheit, die aus degradiertem Ackerland hervorgeht. Von oben sehen reife Parzellen wie natürliche Wälder aus, von unten sieht man, wie gestaltet und produktiv sie sind.

DAF-Felder sollten sogenannte Biomasse-Arten enthalten - schnell wachsende einjährige oder mehrjährige Pflanzen. Sie werden regelmäßig geschnitten, und das Schnittgut wird als Mulch in die Baumreihen gelegt, wo es sich in fruchtbaren Humus verwandelt. Wenn alle Bäume gepflanzt sind, hat eine DAF-Mischung aus Kakao-, Ölpalmen-, Obst- und Holzbäumen weniger Bäume jeder Art pro Hektar als eine Monokultur, aber eine viel höhere Gesamtzahl an Bäumen - insgesamt etwa 2.000 Bäume pro Hektar, gegenüber 150 für Palmen- oder 1.100 für Kakao-Monokulturen.

Wachsen dicht gepflanzte Bäume nicht klein und dünn und bringen nur geringe Erträge, wie es bei Kakao-Monokulturen in Ghana der Fall ist? Offenbar nicht. In einer gut angelegten und gepflegten DAF-Fläche sind die Baumgröße und der Ertrag pro Baum mit denen einer Monokultur vergleichbar. Im Gegensatz zu Monokulturen gedeihen gemischte Baumgruppen in solch hoher Dichte, weil jede Baumart während eines bestimmten Zeitraums und in der "richtigen Höhe" ihre "Komfortzone" einnimmt. Die Bäume konkurrieren um wichtige Ressourcen wie Licht und Wasser, arbeiten aber auch eng zusammen und bilden synergetische Netzwerke.

In großen Holzmonokulturen, die dicht bepflanzt werden, um hohe, schnell wachsende Bäume mit hohen Erträgen zu produzieren, herrscht ein Wettbewerb um Sonnenlicht. Im Vergleich dazu verfolgt DAF bei Nutzwäldern eher eine Art Montessori-Ansatz. Man hilft jedem Baum, sich entsprechend seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten zu entwickeln, umgibt ihn mit vielen anderen Baumarten und schafft für alle förderliche Bedingungen. Das Tüpfelchen auf dem i ist, dass die hohe Artenvielfalt von Mischwäldern das Risiko katastrophaler Ernteausfälle durch Schädlingsbefall verringert. Wenn das nicht eine großartige Metapher für die Vorteile symbiotischer Beziehungen zwischen Menschen ist, was dann?

Carbon Farming
Da DAF-Flächen das Wachstum von Bäumen und Biomasse in einem günstigen Umfeld fördern, verschlingen sie auch atmosphärisches Kohlendioxid (CO2). Ihre hohe Flächenproduktivität hat DAF und andere gemischte Agroforstsysteme zu den Lieblingen derjenigen gemacht, die sich für Baumpflanzungen zur Bekämpfung des Klimawandels einsetzen. Diese sogenannte Sequestrierung, also die Bindung des Treibhausgases CO2 in Form von ober- und unterirdischer Biomasse (d.h. in Bäumen und kurzlebigen Pflanzen) wird als „Carbon Farming" bezeichnet.


Wie motiviert man Kleinbauern und -bäuerinnen, die Baumkulturen anbauen, unproduktive Kakaoplantagen zu sanieren oder sie nach dem DAF-Konzept neu zu bepflanzen? Die wenigsten werden die erforderlichen Änderungen in der Bewirtschaftung vornehmen, nur um dem globalen Klimawandel entgegenzuwirken. Schließlich haben sie viel dringendere Sorgen, nämlich ihr wirtschaftliches Überleben. Bauern und Bäuerinnen auf der ganzen Welt nehmen nur widerwillig ein neues Paradigma an, vor allem ein so radikales wie dieses: "Gebt eure bequemen Monokulturen auf - oder verbessert zumindest deren Pflege - und spart bei den Agrochemikalien." Glücklicherweise gibt es in Ghana Anzeichen für eine junge Generation von Bauern und Bäuerinnen, die neue Ansätze praktizieren wollen. Sie haben auch jede Menge ehemalige landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung, die sie pachten können.
Unsere Erfahrungen in Ghana zeigen, dass es mehrerer Instrumente bedarf, um Kleinbauern und -bäuerinnen für DAF und andere Formen der CO2-Bewirtschaftung zu gewinnen. Zunächst muss jemand die Mittel bereitstellen (Setzlinge, Werkzeuge, Finanzierung von Land und Arbeit); dann müssen die Ergebnisse sichtbare Verbesserungen der Erträge zeigen, was Jahre dauern kann. Ein ständiger finanzieller Anreiz durch Emissionszertifikate wird helfen, ist aber schwierig und kostspielig zu überwachen. Schließlich muss man praktische Schulungen und Demonstrationen anbieten.

Wenn regenerative Landwirtschaft und dynamische Agroforstwirtschaft positiv zum Klima beitragen sollen, müssen Hunderte von Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen weltweit finanziell, technisch und durch Schulungen unterstützt werden. DAF verspricht, Dinge zu produzieren, die die Welt braucht - Früchte, Nüsse, Holz - und bietet viele weitere Vorteile: Bauern und Bäuerinnen profitieren von fruchtbareren Böden und höheren Erträgen, die Bäume sind weniger empfindlich gegenüber Trockenheit und Schädlingen, die höhere Artenvielfalt zieht weniger Schädlinge an, und es wird mehr CO2 aus der Atmosphäre gebunden als bei anderen Formen der Nahrungsmittelproduktion auf Feldern und in Wäldern. Schließlich können DAF-Felder sehr ansprechend aussehen und viel Schatten spenden, was für eine gute Arbeitsumgebung sorgt.
DAF bei Serendipalm

Bei einer solchen Fülle an Vorteilen ist es kein Wunder, dass wir uns schnell daran gemacht haben, DAF bei Serendipalm zu demonstrieren und einzuführen. 2017, ein Jahr nach Joachims erstem Besuch, richtete Serendipalm eigene DAF-Schulungs- und Demonstrationsbetriebe ein, einen 15-Hektar-Betrieb bei Asuom und einen 7,5-Hektar-Betrieb bei Abaam.

Als Nächstes begannen wir mit einigen unserer Kleinbauern und -bäuerinnen mit Versuchen, und bis Ende 2019 hatten wir etwa fünfundzwanzig von ihnen geholfen, kleine Versuchsflächen auf ihren Höfen anzulegen. Parallel dazu gaben Joachim und sein Kollege Bastian Pellhammer Beschneidungs-Workshops für Serendipalm-Mitarbeiter:innen sowie Kleinbauern und -bäuerinnen auf dem Feld. Wir haben festgestellt, dass viele ältere Kleinbauern und -bäuerinnen nicht besonders motiviert sind, komplexe Pflanzungen durchzuführen oder ihre Kakaobäume sorgfältig zu beschneiden, selbst nach mehreren Schulungen. Schulungen von Bauer zu Bauer mögen in der richtigen Umgebung funktionieren, für dieses wissens- und arbeitsintensive Konzept und diese alternde Gruppe taten sie das nicht.

Das Serendipalm-Feldteam schlug daher vor, von den Kleinbauern und -bäuerinnen nicht zu erwarten, dass sie DAF und Kakao-Renovierung selbst praktizieren, sondern ihnen Unterstützung bei Pflanzung und Pflege als "entgeltliche" Dienstleistung anzubieten. Über einen Zeitraum von drei Jahren werden dreihundert Bauern und Bäuerinnen neue DAF-Felder auf zugewachsenem oder degradiertem Land anlegen und erhalten dafür die Setzlinge kostenlos. Serendipalm hat außerdem etwa einhundert Mitarbeiter:innen eingestellt und geschult, die den Kleinbauern und -bäuerinnen bei der Planung, Anpflanzung und Pflege ihrer DAF-Felder und bei der Renovierung alter und unproduktiver Kakaoflächen helfen. Hundert neue Arbeitsplätze sind nicht schlecht für ein Gebiet, das wenig qualifizierte Arbeitsplätze bietet. Langfristig hoffen wir, dass dieses umfangreiche Demonstrationsprojekt die meisten Kleinbauern und -bäuerinnen in unserem Distrikt und darüber hinaus dazu bewegen wird, DAF als einen profitableren, leichter umsetzbaren und vielfältigeren Ansatz im Vergleich zu Monokulturen für die Wiederbepflanzung zu nutzen.


Und wenn unsere Teams schon dabei sind, werden sie auch noch vernachlässigte Kakaofelder beschneiden und renovieren. Bei ihren Besuchen hatten Joachim und Bastian festgestellt, dass ein Drittel der Kakaobäume nur wenige oder gar keine Schoten trägt. Wenn ein Großteil davon entfernt wird, verringert sich die Baumdichte und das Risiko von Schädlingsbefall. Im Laufe des Projekts werden unsere geschulten Landarbeiter:innen etwa sechshundert Parzellen renovieren und so die Kakaoerträge von 350 auf über 530 Pfund pro Hektar steigern.

Was haben Kleinbäuerinnen und -bauern davon? Die höheren Kakaoerträge und Gesamteinnahmen aus einem Hektar DAF und die Diversifizierung der Produktpalette sind ein guter Anfang. Die Einbeziehung von ein- und mehrjährigen Feldfrüchten führt dazu, dass ab dem ersten Jahr Einkommen generiert werden kann - viel früher als die drei bis vier Jahre, die Palm- oder Kakao-Monokulturen benötigen, um angemessene Erträge und Einkommen zu erzielen.

DAF erzählt eine vielschichtige und ziemlich überzeugende Geschichte, die die meisten Menschen anspricht, denen man davon erzählt. Warum sollten Marken und Verbraucher:innen nicht Produkte mit einer solchen Geschichte und Wirkung unterstützen wollen? Mit unserer Begeisterung für DAF und den Programmen in Ghana und Samoa reiten wir auf einer globalen Welle. Das Konzept der gemischten Agroforstwirtschaft setzt sich durch, gefördert von Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen und angetrieben von mehreren dringenden Bedürfnissen weltweit: Kleinbauern und -bäuerinnen dabei zu helfen, ihre Betriebe produktiver, widerstandsfähiger und rentabler zu machen und viel CO2 zu binden, während sie gleichzeitig einen großen Teil der Weltbevölkerung ernähren. 

Gero Leson, Author von Honor Thy Label Gero Leson, Autor von "Honor Thy Label" 


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